Marienverehrung im Alltag

Aufmerksamkeit


Den Alltag mit Maria zu verbringen, bedeutet vor allem den Tag in seinen Details zu leben. Oder anders formuliert heißt es, dem Alltag eine Qualität zu vermitteln. Die Qualität im Allgemeinen bedeutet, dem, was schon da ist, bewusster, achtsamer, intensiver zu begegnen und noch einen deutlicheren Ausdruck zu verleihen. Dies betrifft nicht nur unseren Umgang mit den materiellen Dingen, sondern vor allem den Umgang mit uns selbst und mit den anderen. Und damit wir hier nichts und niemanden ausgrenzen, sagen wir einfach, den Umgang mit der Schöpfung. Bei den folgenden Überlegungen möchten wir uns auf den Stil Mariens einlassen, indem wir versuchen die Welt und den Alltag mit den Sinnen Mariens wahrzunehmen und zu betrachten. Als Impuls dazu möge uns das Schriftwort aus Joh 2,3 dienen: "Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr."

Wir betrachten zuerst die Umstände, in denen sich die Mutter Jesu befindet: Sie, Jesus und seine Jünger sind zu einer Hochzeit eingeladen. Sie alle sind also Gäste. Der Gast kümmert sich üblicher Weise nicht um die organisatorischen Angelegenheiten seines Gastgebers, sondern er genießt es Gast zu sein und er lässt sich's dementsprechend gut gehen. Aus einem bestimmten Grund, den die Bibel nicht nennt, mischt sich der Gast - die Mutter Jesu - in die organisatorischen Angelegenheiten der Gastgeber ein. Wir erlauben es uns, diesen nicht genannten Grund aus der Perspektive Mariens heraus zu interpretieren und sagen, dass hier die Aufmerksamkeit Mariens am Werk ist, die sie bewegt, sich in die "fremden Angelegenheiten einzumischen". Ihr aufmerksamer Blick lässt sie nämlich erkennen, dass hier eine Art "Blamage in Verzug" ist, welche den Brautleuten und Gastgebern ihren guten Ruf zumindest für die nahe Zukunft ruinieren würde, wenn sie ihren Hochzeitsgästen keinen Wein mehr vorsetzen können.  Dank ihrer Aufmerksamkeit sieht die Mutter Jesu, dass es zu handeln gilt, und zwar nicht im eigenen, sondern im Interesse der Gastgeber. Und so führt sie der Weg zuerst zu Jesus, den sie über das Wahrgenommene in Kenntnis setzt, sodann zu den Dienern, damit sie die Anweisungen Jesu befolgen.

Analog zu dieser biblischen Geschichte können wir uns in jede beliebige Situation aus unserem Alltag hineindenken und werden feststellen, dass der Lauf vieler Dinge durch aufmerksame oder unaufmerksame Mitmenschen radikal verändert wird. Nicht selten ringen wir mit der Frage, ob man sich für etwas im Interesse der anderen Person einsetzen soll, ohne dass sie davon etwas mitbekommt. In solchen Momenten kann es hilfreich sein, wenn ich den Sachverhalt aus der Position des betreffenden Menschen betrachte. Dann spüre ich deutlicher, dass es gut ist, wenn jemand den anderen vor einem Schlamassel bewahrt.  Häufig bieten sich uns auch bequeme Antworten an: "Vergiss es, es geht dich nichts an. Kümmere dich um deine eigenen Dinge." Instinktiv versucht man die Sorge um den Nächsten von sich abzuschütteln. Auf der anderen Seite erwartet man sich aber, dass die anderen sich mir gegenüber aufmerksam und hilfsbereit zeigen, dass sie meiner Kariere den Weg bahnen oder meinen Aufstieg zumindest nicht verhindern.

Wer sich als Marienverehrer oder -verehrerin versteht, hat zusätzlich die Möglichkeit, den Alltagssituationen aus der Perspektive Mariens zu begegnen, sich durch ihre Sicht der Dinge inspirieren zu lassen und dementsprechend zu handeln. Und wenn wir uns wünschen, dass unser Tag qualitativ gelebt wird, so üben wir uns in der Aufmerksamkeit, sei es zu uns selbst, zu den anderen Menschen, sei es zu allem, was uns umgibt.

fr. Fero M. Bachorík OSM